München, die selbsternannte Weltstadt mit Herz – gerne wirbt die Landeshauptstadt Bayerns mit ihrer hohen Lebensqualität. Ein Umstand will dazu jedoch so gar nicht passen: Im vergangenen Jahr war München erstmals die deutsche Stadt mit den schlechtesten Luftwerten. Damit löste München Stuttgart als bisherige Stadt mit den schlechtesten Luftwerten ab. Nach Angaben der Regierung von Oberbayern wird derzeit an 260 Straßen im Stadtgebiet der gesetzliche Grenzwert für Stickstoffdioxid nicht eingehalten. Dabei hatte der Stadtrat noch vor zwei Jahren die Forderungen des Bündnisses für saubere Luft in München in eine Beschlussvorlage übernommen. Im Zuge dessen wurde das Versprechen abgegeben, bis 2025 eine Verkehrswende voranzubringen und so die Stickstoffdioxidbelastung zu verringern. Ziel ist außerdem eine Halbierung des fossil angetriebenen Autoverkehrs. Doch nach Angaben der Regierung von Oberbayern wird der gesetzlich festgeschriebene Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft an 260 Straßen im Stadtgebiet weiterhin überschritten. Vor diesem Hintergrund drängt sich folgende Frage auf: Liebt die Weltstadt mit Herz ihre Bürger*innen?
Um die Münchner*innen zum Nachdenken über diese Frage anzuregen und seinen Forderungen mehr Gewicht zu verleihen, hat das Bündnis für saubere Luft die Kampagne #LuftsuchtLiebe initiiert. Nachdem das Bündnis die Frage „Liebt Dich Deine Stadt“ bereits über die sozialen Medien an die Bürger*innen stellte, richtete es sie am heutigen 23. Januar anlässlich der ersten Vollversammlung des Münchner Stadtrats direkt an die EntscheiderInnen. Sylvia Hladky, Sprecherin des Bündnisses und Mitglied im Netzwerk Klimaherbst, sagt: „Wir haben nun zwei Jahre die Entscheidungen des Stadtrats mitverfolgt. Das Ergebnis zeigt ein Kleinklein anstatt einer echten Strategie zur Verkehrswende. Wenn die regierenden PolitikerInnen den Autoverkehr halbieren wollen, muss Platz von diesem umverteilt werden“.
Stattdessen wird jedoch noch Infrastruktur für den Autoverkehr geschaffen, kritisiert das Bündnis und führt als Beispiele den Ausbau des Föhringer Rings oder neue Tunnelpläne an. Wichtige Projekte für den Ausbau des ÖPNV wie die Tramtangenten oder eine Verbesserung der Infrastruktur für den Rad- oder Fußverkehr würden mit Hinweis auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit für der Autoverkehr immer wieder verzögert und verschoben. Von Anfang an hat das Bündnis für saubere Luft konstruktive Vorschläge eingebracht, statt den Stadtrat nur zu kritisieren. So entstand das Reinheitsgebot für saubere Luft, welches zehn Maßnahmenbündel enthält.
Hier wird die Förderung des Fuß- und Radverkehrs ebenso wie die Vorfahrt für Wirtschafts- und Versorgungsverkehre gefordert. Nachdem nun erneut zwei Jahre ungenutzt verstrichen sind, formuliert Hermann „Beppo“ Brem, Sprecher des Bündnisses für saubere Luft, die Forderungen radikaler: „Seit 2005 wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid an vielen Stellen in München nicht eingehalten. 14 Jahre der politischen Untätigkeit zwingen nun zu schnell wirksamen Maßnahmen. Dazu gehören notfalls auch Fahrverbote und eine Reduktion der Kfz-Stellplätze um jährlich fünf Prozent im Stadtgebiet. Auf der Angebotsseite müssen die 50 Busspuren sofort umgesetzt und ein 365-Euro-Ticket nach dem Wiener Vorbild schnellstmöglich realisiert werden.“
Angesichts der ausbleibenden oder nur unzureichend umgesetzten Maßnahmen kann es laut Andreas Schuster, Sprecher des Bündnisses für saubere Luft und Mobilitätsexperte von Green City e.V., auf die Frage „Liebt Dich Deine Stadt?“ nur eine Antwort geben: „Die flächendeckende Luftschadstoffproblematik stellt eine hohe Belastung für viele Münchner*innen dar. Das tatenlose Zusehen der jahrelangen Überschreitungen der Grenzwerte mit gravierenden gesundheitlichen Folgen gerade auch für Kinder ist jedoch ein klares Zeichen für mangelndes Interesse der Stadt und der regierenden Parteien. Mit unserer Aktion fordern wir der Stadtrat auf, endlich seinem Versprechen zur Verkehrswende nachzukommen und seine Fürsorgepflicht den Bürger*innen gegenüber einzuhalten.“