Das Frühjahr in Deutschland war so nass wie seit zehn Jahren nicht (DWD, 2023). Der Oktober erlaubte in Süddeutschland sommerliche Gefühle mit bis zu 30 °C (DWD, 2023) und dazwischen lag der Sommer mit außergewöhnlichen Hitzeperioden (DWD, 2023).
Vieles weist darauf hin, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wird. Wie legt die Wissenschaft diese Jahreswerte eigentlich genau fest? Und gab es auch in der Vergangenheit schon Warmzeiten? Wir haben uns das für Dich mal ein bisschen genauer angeschaut.
Der Deutsche Wetter Dienst (DWD) stellt die Wetterdaten für Deutschland zur Verfügung. Um natürliche Schwankungen der Temperatur statistisch zu berücksichtigen, verwendet der DWD die Mittelwerte aus jeweils 30 Jahren als Bezugszeitraum (DWD, 2023). Schaut man sich diese Bezugszeiträume im Vergleich an, können Aussagen über die Veränderungen des Klimas getroffen werden.
In München verzeichnet der Deutsche Wetterdienst seit Messbeginn im Jahr 1955 einen Anstieg der mittleren Temperatur (DWD, 2020). Vier der fünf wärmsten Jahre waren in diesem Jahrhundert.
Im vergangenen Jahr lag in Deutschland die mittlere Lufttemperatur mit 10,5 °C deutlich über der Referenztemperatur des Zeitraums 1961 bis 1990 von 8,2 °C. Damit war 2022 das wärmste Jahr seit 1881 und zum zwölften Mal in Folge wärmer als die genannte Referenztemperatur. (Umweltbundesamt, 2023)
Eine abschließende Aussage für das Jahr 2023 ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da hierfür die Werte aller Monate eingerechnet werden. Jedoch wurden in diesem Jahr seit Juni monatlich Temperaturrekorde gebrochen. Der September 2023 war um 0,5 °C wärmer als der bis dato weltweit wärmste September (Copernicus, 2023). Ein halbes Grad Celsius scheint nicht besonders viel zu sein. Schaut man sich im Vergleich dazu unseren Körper an, wird deutlich, wie viel dieser Temperaturanstieg für ein System bedeuten kann : Eine Körpertemperatur von 36,5 Grad ist in der Regel normal. Bei 37 Grad allerdings spricht man bereits von erhöhter Temperatur, wir sind möglicherweise krank und fühlen uns angeschlagen. In unserem Artikel zu den Folgen der Erderwärmung findest Du weitere Informationen.
Die mittlere Temperatur ist ein geeigneter Indikator, um den Klimawandel festzustellen. Veränderungen in den mittleren Temperaturen sind für die meisten von uns im Alltag jedoch kaum wahrnehmbar. Greifbarer wird das Bild, wenn man den Parameter der sogenannten „Heißen Tage“ pro Jahr betrachtet. Die Definition des DWD lautet: „Tag, dessen höchste Temperatur bei 30 °C oder höher liegt“ (DWD, 2023). Eine über Tage anhaltende Überlastung des körpereigenen Kühlsystems durch solche Temperaturen führt in vielen Fällen zu Herz-Kreislaufproblemen. In Deutschland könnte es in Zukunft durch konstant steigende Temperaturen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts jährlich mehr als 5.000 zusätzliche Todesfälle aufgrund von Hitze geben (Umweltbundesamt, 2023). Trotz starker Schwankungen bei der Anzahl der heißen Tage ist der Trend in Deutschland in den vergangenen Jahren steigend (Umweltbundesamt, 2022). Auch Messungen in München weisen diesen Trend auf.
Schauen wir sehr viel weiter in die Vergangenheit, stellen wir fest, dass sich das Erdklima in den vergangenen Jahrhunderten und gar Jahrtausenden bereits mehrfach verändert hat. Denken wir zum Beispiel an die „Mittelalterliche Warmzeit“ und die darauffolgende „Kleine Eiszeit“. In dieser Warmzeit herrschten ähnliche oder sogar wärmere Temperaturen, als wir sie heute erleben. Der Unterschied zu heute: Es handelte sich um regionale Phänomene und klimatische Veränderungen spielten sich über Jahrtausende ab, sodass sich Ökosysteme und Organismen anpassen konnten. (Mann, 2009)
Der Anstieg der Temperaturen, wie wir ihn seit der Mitte des 20. Jahrhunderts erleben, ist hingegen rasant und geht weit über die Werte hinaus, wie es bei Warmphasen der vergangenen Jahrhunderte der Fall war. Zusätzlich ist die Erwärmung heute nicht lokal begrenzt, sondern überall gleichzeitig zu beobachten (Neukom, 2019). Der Weltklimarat (IPCC) kommt auf Grundlage von mehreren Studien zu dem Ergebnis, dass die Erwärmung des Klimas im letzten Jahrhundert beispiellos ist für die vergangenen 2000 Jahre (IPCC, 2023).
Was bedeutet dieser beispiellose Temperaturanstieg für Städte wie München? In urbanen Räumen sind höhere Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster besonders ausgeprägt. Dort liegt die mittlere Temperatur häufig über der des Umlandes – man spricht hierbei vom „urban heat island effekt“ (DWD, 2020).
Für stark versiegelte Großstädte wie München ist es besonders relevant, sich dem Klimawandel anzupassen. Begrünte Fassaden und Dächer, Parks oder Gärten sind wichtige Voraussetzung für eine klimaresiliente Stadt der Zukunft, denn Grünflächen verdunsten Wasser, wodurch der Umgebung Wärme entzogen wird.
Auch die Bebauung hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wieviel Wärme sich in einer Stadt sammeln kann. Große Gebäude etwa blockieren Luftströme, die Wärme abtransportieren. Materialien wie Asphalt und Beton speichern extrem viel Wärme. In Zukunft sollten daher alternative Baumaterialien verwendet werden. Und auch Energiesparmaßnahmen sowie die Reduktion des Individualverkehrs können beitragen, Abwärme zu verringern und den Energieeintrag reduzieren.
Die meiste Energie erhält unsere Stadt jedoch durch die Sonne. Dächer, Straßen und Freiflächen sollten daher in Zukunft in hellen Farben gestaltet werden, die das Sonnenlicht reflektieren.
Global gesehen gab es im Jahr 2023 besonders auf der nördlichen Erdhalbkugel extreme Hitzewellen. Teilweise wurden über 50 °C gemessen, stellenweise kühlten die Temperaturen über Wochen nicht unter 32 °C ab. Damit einher gehen weitere Extreme wie Starkregen, Überschwemmungen und Waldbrände. (siehe rechts)
Dabei stellt sich die Frage: Ist daran die Klimaerwärmung schuld oder nicht? Von Klimawissenschaftler*innen gab es darauf lange keine konkrete Antwort.
Seit 2015 forscht der World Weather Attribution (WWA), ein Zusammenschluss an Wissenschaftler*innen, daran, wie die Klimaerwärmung die Intensität und Häufigkeit von extremen Wetterereignissen beeinflusst. Mithilfe von Wetterdaten und Computermodellen wird zum einen unsere aktuelle Welt simuliert und parallel dazu eine Welt, in der es keinen Klimawandel gibt. In den Modellen wird jeweils die Wahrscheinlichkeit eines Extremwetters berechnet. Durch das Vergleichen beider Ergebnisse wird sichtbar, um wie viel Prozent ein Ereignis in unserer realen Welt wahrscheinlicher war als in der simulierten Welt ohne menschengemachten Klimawandel.
Extreme Wetterereignisse in 2023
Mai: Starkregen und Überschwemmungen in norditalienischer Region Emilia-Romagna (WWA, 2023)
Juli: Temperaturen über 50 Grad unter anderem im Death Valley und in China (WWA, 2023)
Juli: Wochenlag kein Abkühlen der Temperaturen unter 32 Grad in Arizona (WWA, 2023)
August: Schwere Regenfälle und Hochwasser in Teile von Slowenien und Österreich (WWA, 2023)
August: Bisher größten Waldbrände Europas in Griechenland, Italien und Algerien (WWA, 2023)
September: Intensive Regenfälle und Überflutungen im Osten von Lybien (WWA, 2023)
Oktober: Brandsaison in Kanada dauert anstatt bis August bis in den Oktober hinein an (WWA, 2023)
Das Jahr 2023 hat uns gezeigt, dass der Klimawandel da ist. Schon jetzt! Auch in unseren gemäßigten Breiten. Er zeigt sich auf der ganzen Welt und betrifft gegenwärtige wie zukünftige Generationen gleichermaßen. Die momentanen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Anstrengungen sind aus unserer Sicht bei weitem nicht ausreichend. Das Thema Klimaschutz droht sogar ins Hintertreffen zu geraten. Man muss sich nur die haushalterischen Schwerpunktsetzungen der Ampel-Koalition ansehen oder das Aufweichen der deutschen Klimaziele für die einzelnen Sektoren.
In der Debatte im Zuge der Haushaltkrise Ende 2023 erscheint es undenkbar, dass Sparmaßnahmen ergriffen werden, die gleichzeitig das Klima schützen würden. Beispiele sind hier Subventionen von Diesel oder Kerosin im Flugverkehr. Lobby-Interessen scheinen den Klimaschutz immer noch auszustechen. Obwohl die Klimakrise mit dem Jahr 2023 einen neuen Rekord aufstellen wird. Das Problem ist dringend und es gibt jede Menge zu tun! Wenn die Politik nicht vorwärts geht, ist die Zivilgesellschaft gefragt, Druck aufzubauen und Lösungen voran zu treiben. Jede und jeder kann einen Beitrag dazu leisten. Deine Mitgliedschaft oder Spende hilft uns dabei, uns für eine klimaresiliente Stadt der Zukunft einzusetzen. Und wenn Du auch Familie und Freunde zum Mitmachen motivieren kannst, umso besser. Denn je mehr wir sind, desto mehr können wir bewegen.