Die Münchnerinnen und München stehen im Stau. Denn schon jetzt gelangen die Straßen viel zu oft an ihre Kapazitätsgrenzen. Und auch die Prognose sieht nicht gut aus: wenn wir nichts an unserem Mobilitätsverhalten ändern, wird München ab 2030 dauerhaft – also von früh morgens bis spät abends – im Stau stecken. Und das mit verheerenden Auswirkungen auf Luftqualität, Wohlbefinden und Wirtschaft in München.
Im Forschungsprojekt „Verkehrliche Wirkung einer Anti-Stau-Gebühr in München“ des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien wurde erforscht, welche Auswirkungen eine Anti-Stau-Gebühr zum einen auf das Verkehrsaufkommen und zum anderen auf Handel und Tourismus in München hätte.
Im Demzember 2020 diskutierten wir mit Studienleiter Prof. Oliver Falck zur Anti-Stau-Gebühr. Die Aufzeichnung der Veranstaltung findest Du hier:
Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Eine Bepreisung des fließenden und des ruhenden Verkehrs in der Münchner Innenstadt würde zu einer deutlichen Entlastung der Straßen führen. Die Staus würden verringert und das spart Zeit, Stress, Lärm und Abgase. Verlangt man für das Autofahren in der Innenstadt 6 Euro pro Tag und erhöht zusätzlich die Parkgebühren in diesem Stadtbereich auf 10 Euro täglich, so würde der Pkw-Verkehr im Mittel des gesamten Tages um 23 Prozent zurückgehen, zu den Stoßzeiten sogar um 33 Prozent. Das alleinige Anheben der Parkgebühren hingegen hätte kaum verkehrslenkende Wirkung auf München.
Der Rückgang des Pkw-Verkehrs käme vor allem deswegen zustande, weil Autofahrer*innen auf den öffentlichen Nahverkehr, aber auch auf andere Verkehrsmittel wie bspw. das Fahrrad umsteigen würden. Zu einer nennenswerten Reduktion der absoluten Anzahl an Fahrten in die Innenstadt über alle Verkehrsmittel hinweg käme es jedoch nicht. Zwar kann der Münchner ÖV auf vielen Linien noch zusätzliche Verkehrsteilnehmer*innen aufnehmen, aber an neuralgischen Stellen wie der S-Bahn-Stammstrecke kommt es schon jetzt zu Engpässen. Somit ist die bereits geplante Kapazitätserweiterung des Öffentlichen Nahverkehrs zwingende Voraussetzung für eine gelingende Staureduktion durch Bepreisung.
Handel und Tourismus in München würden langfristig auch von der Anti-Stau-Gebühr profitieren: Denn Kaffee trinken, Freunde treffen, Essen gehen und durch die Stadt bummeln ist am schönsten weitab von zugeparkten oder vielbefahrenen und lauten Straßen. Hinzu kommt, dass Radfahrende und zu Fuß Gehende in Innenstadtgebieten mehr Geld ausgeben als Menschen, die mit dem Auto kommen. Autofahrer*innen kaufen meist sehr gezielt ein, während Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen zu spontanen und häufigeren Käufen neigen.
Jede Mobilitätsform im öffentlichen Raum kostet der Gesellschaft Geld. Und das wird nicht immer von denjenigen zurückgezahlt, die die Kosten verursachen. Der private Pkw schneidet in dieser Rechnung besonders schlecht ab: Die entstehenden gesellschaftlichen Kosten sind rund acht mal höher als im öffentlichen Nahverkehr. Eine Anti-Stau-Gebühr ist demnach ein guter Schritt in Richtung eines gleichmäßig angewandten Verursacherprinzips.
Doch ist die Einführung einer Anti-Stau-Gebühr ein ausreichendes Instrument, um die Verkehrswende in München einzuleiten? Wir bei Green City denken, dass dem Konzept – zumindest in seiner aktuellen Form – Grenzen gesetzt sind. Eine pauschale Summe, die für jeden Pkw gleich bemessen wird, kann zwar Verkehrsmengen aus dem Pkw-Verkehr auf den Umweltverbund (Fuß-, Rad- und Öffentlicher Verkehr) verlagern, allerdings hat eine Anti-Stau-Gebühr keinen Einfluss auf den Umweltstandard der einfahrenden Pkws. Hier müssten also zusätzliche Anreize geschaffen werden, um den Pkw-Bestand in München langfristig zu reduzieren und auf ökologischere Antriebsformen umzustellen. Ohne ein solches Anreizsystem filtert eine Anti-Stau-Gebühr die einfahrenden Pkws also nicht nach Nachhaltigkeits-Kriterien, sondern vorerst nach den Geldverhältnissen ihrer Fahrer*innen.
Für Green City hat eine Anti-Stau-Gebühr das Potential dazu, ein Baustein der Münchner Verkehrswende zu werden. Es müssen allerdings viele Aspekte zusammen gedacht werden, um eine echte Transformation zur Nachhaltigkeit zu erreichen.
Quellen