Klimaschutz 15. Juni 2021

Benzin verteuern – nötige Maßnahme oder unüberlegter Schnellschuss?

Ein Bärendienst für die Umwelt, eine Maßnahme auf Kosten von Geringverdiener*innen, ein herber Kriegszug gegen Autofahrer*innen – die Frage nach einem erhöhten Benzinpreis ist nicht erst seit heute höchst umstritten. Das musste nun auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach ihrer Aussage zur Erhöhung des Kraftstoffpreises um 16 Cent erfahren. Schnell sammelten sich die Vorwürfe gegen die Grünen-Spitze – doch genauso schnell kamen die polternden Parteien in Erklärungsnot: Wie lässt sich das frisch gestraffte Klimaziel von 60 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 denn sonst erreichen? Wir haben die unterschiedlichen Positionen in der Parteienlandschaft zusammengefasst.

Spätestens seit 2019 ein Garant für Zündstoff

Der Vorschlag zur Einführung eines Preises für den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 für Verkehr und Wärme ab 2021 wurde vorrangig von Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Svenja Schulze (SPD) im Jahr 2019 als Maßnahme innerhalb des Klimaschutzprogramms 2030 vorangetrieben. Als Herzstück des Programms wurde der CO2-Preis bezeichnet, der mehr Anreize für den Klimaschutz in der Wirtschaft und bei den Verbraucher*innen setzen soll. Bund und Länder einigten sich damals darauf, den CO2-Preis ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro festzulegen. Nach und nach soll der Preis dann bis 2025 auf 55€ steigen. Dies ist inzwischen auch schon angelaufen: Seit Januar 2021 müssen Autofahrer*innen aufgrund der Einführung des CO2-Preises an der Zapfsäule ca. 6 Cent mehr pro Liter zahlen. Hochgerechnet würde sich anhand der Pläne der Großen Koalition bis 2025 ein erhöhter Benzinpreis von insgesamt 15,5 Cent pro Liter ergeben, für Diesel ca. 17,4 Cent. Das sind derzeit nur Prognosen und ungefähre Angaben – wie sich der Rohstoffpreis auf dem internationalen Markt in vier Jahren entwickelt, bleibt ungewiss.

Teurerer Kraftstoff ist unausweichlich

Die Bepreisung von CO2 wurde also schon beim Klimaschutzprogramm 2019 beschlossen – und zwar von der Großen Koalition. Wieso sorgt also Annalena Baerbocks Aussage für so viel Wind?
Bei der Durchsicht der Parteiprogramme und beim Hören der Äußerungen verschiedenster Politiker*innen für die diesjährige Bundestagswahl wird schnell klar: An einer Verteuerung von emissionsstarken Kraftstoffen führt kein Weg vorbei. Wir haben uns die Pläne der Parteien genauer angesehen.

Die Grünen: Schnell und fair, bitte!

Bevor Annalena Baerbock bei „Bild“ auf den Kraftstoffpreis zu sprechen kam, äußerte sich Kollege Robert Habeck bei Maybrit Illner dazu: „Wenn der CO2-Preis auf 55 bis 60 Euro ansteigt im nächsten Jahr, dann wäre das eine Verdoppelung und noch ein bisschen drauf gegenüber dem, was wir jetzt erlebt haben. […] Ich will nur sagen, was dann der Liter Benzin kostet gegenüber den sieben, acht Cent, die jetzt draufgekommen sind: noch mal das Doppelte.“ 8 x 2 – daher kommen die 16 Cent, die Annalena Baerbock ins Spiel brachte. Von den 15,5 Cent, die derzeit bis 2025 schon beschlossene Sache sind, eigentlich nicht so weit entfernt. Der Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021 der Grünen sieht die Erhöhung des CO2-Preises auf 60€ pro Tonne auf das Jahr 2023 vor. Danach soll der Preis weiter ansteigen, um das festgelegte Klimaziel bis 2030 erreichen zu können. Die Grünen fordern also ein bisschen mehr ein bisschen schneller. Zeitgleich sehen sie aber auch einen sozialen Ausgleich in ihrem Programm vor: Über ein sogenanntes „Energiegeld“ soll den Bürger*innen etwas von den staatlichen Einnahmen zurückgegeben werden. Gleichzeitig wird die EEG-Umlage gesenkt. So soll der Strompreis gesenkt, Geringverdienenden unter die Arme gegriffen und letztendlich mit Klimaschutz Geld verdient werden.[1]

SPD: Bepreisung ja, aber nicht auf Kosten der Bürger*innen!

Der Vorschlag der SPD läuft auf ein ähnliches Konzept hinaus: Bis 2025 soll die EEG-Umlage abgeschafft und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, zu dem natürlich auch die CO2-Bepreisung beiträgt. Auch hier ist das große Ziel vor allem geringverdienende Bürger*innen durch eine sinkende Stromrechnung zu entlasten, auch wenn ein Pro-Kopf-Bonus wie bei den Grünen bei der SPD derzeit noch auf Prüfstand ist. Nur die Bepreisung schneller vollziehen – das soll nicht passieren.[2]

CDU/CSU: Ganz schön viel Unschlüssigkeit

Die Christliche Union fiel bisher eher durch gespaltene Meinungen zu diesem Thema auf. Wie die SPD waren sie ebenfalls an der erstmaligen Einführung der CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme beteiligt. Verkehrsminister Andreas Scheuer wendete sich kürzlich gegenüber der Bild gänzlich gegen die schrittweise Erhöhung des Kraftstoffpreises, während sein Vorvorgänger Alexander Dobrindt als Reaktion auf das kürzlich gefällte Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgericht vorschlug, den Kraftstoffpreis bereits im kommenden Jahr statt erst 2024 auf 45€ je Tonne zu erhöhen. CSU-Generalsekretär Markus Blume wetterte im Interview mit der Augsburger Allgemeine, dass für Annalena Baerbock Klimaschutz hauptsächlich ein Kampf gegen Autofahrer*innen bedeute, Mobilität und Klimaschutz aber kein Luxus sein dürfen. Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) wiederum plädierte bereits Mitte Mai für eine zügigere Anhebung des CO2-Preises.

FDP: Mit anderen Mitteln zum Ziel

Auch die FDP sieht in ihrem Programm eine Veränderung der derzeitigen Maßnahmen vor. Für sie steht hier die Ausweitung des Europäischen CO2-Emissionshandels – sowohl geographisch als auch auf alle Sektoren – im Vordergrund: „Die Politik gibt vor, wieviel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden. Wer hingegen besonders viel CO2 spart, muss weniger Zertifikate kaufen und spart Geld und wer CO2 speichert, muss dafür Geld erhalten. So schaffen wir Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien.“ Ferner soll die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß gesenkt und – wie bei den Grünen und der SPD – die EEG-Umlage abgeschafft werden. Förderzusagen aus der Vergangenheit sollen dann aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert und keine neuen Fördertatbestände geschaffen werden. Auch für die FDP geht es also nur, wenn CO2-Ausstoß so unattraktiv wie möglich wird. Verbote, zum Beispiel des Diesels, stellen für die Freien Demokraten jedoch keine Option dar.[3]

DIE LINKE: Benzinpreiserhöhung in jedem Fall ungerecht!

Auch DIE LINKE zeigt sich in ihrem Parteiprogramm dem Klimaschutz hingewandt. Jedoch ist für sie die Bepreisung von CO2 überhaupt keine Option: Vielmehr setzen sie auf einen Ausbau des ÖPNV und dessen kostenlose Nutzung. Die Vision: Rad, Bus und Bahn soll so komfortabel nutzbar sein, dass das Verbot des Verbrennungsmotors 2030 gar nicht auffällt, da er sowieso nicht mehr attraktiv für die/den Verbraucher*in ist. Zur aktuellen Debatte um Annalena Baerbocks Pläne gibt Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zu bedenken, dass ein ,in Vorkasse gehen‘ mit nachträglicher, ungewisser Auszahlung eines Bonus für viele Familien nicht leistbar wäre.[4]

AfD: Auf keinen Fall!

Die Alternative für Deutschland bezieht eine ganz klare Position zur Debatte: „Jegliche Form der CO2-Besteuerung ist abzuschaffen.“ Ferner stellt sich die Partei in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl gegen das Pariser Klimaabkommen, gegen den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und gegen die „bestehende, realitätsfremde EU-CO2-Reduktionsgesetzgebung im Verkehrssektor.“ Sollte diese Politik nicht verhindert werden können, schlägt die AfD synthetischen Kraftstoff als Pendant zur E-Mobilität vor. Fahrzeuge mit synthetischem Kraftstoff sollten dann hinsichtlich ihrer Abgabenlast gegenüber elektrisch angetriebenen Fahrzeugen eine Gleichbehandlung erfahren – genauso wie auch der Kraftstoff selbst.[5]

Benzinpreiserhöhung – Muss das sein?

Wenn etwas teurer wird, bedeutet das in den allermeisten Fällen erstmal eine Belastung und Herausforderung – oft besonders für die, die sowieso wenige Mittel zur Verfügung haben. Genauso eine Herausforderung und finanzielle Belastung ist jedoch ein weiterer unkontrollierter Ausstoß von Kohlendioxid und die damit einhergehende Klimaerwärmung: Berechnungen auf Basis des Tools „NRVP 2020 – Welche Kosten verursachen verschiedene Verkehrsmittel wirklich?“ der Universität Kassel ergaben für München, dass jeder zurückgelegte Weg mit dem PKW die Münchner Gesellschaft 36 Cent kostet, mit dem Fahrrad nur 10,5 Cent, mit dem ÖPNV 4,4 Cent und zu Fuß sogar nur 2,5 Cent[6]. Soziale Gerechtigkeit? Fehlanzeige. Ebenso wird die Ressource Erdöl knapp und die Förderung gestaltet sich immer komplizierter. Ob der globale Markt bei 16 Cent Preiserhöhung Halt machen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Eine Be- und Vergünstigung von nachhaltiger Mobilität und der daraus resultierenden Abnahme der Attraktivität der Verbrenner-Technologie ist unausweichlich, um das Klima langfristig zu schützen. Doch natürlich hat auch nachhaltige Mobilität ihren Preis. Klar ist, dass – egal wie sich der Verkehr in den kommenden Jahren entwickeln wird – alle Bürger*innen bei den anstehenden Umwälzungen abgeholt werden müssen. Und das funktioniert in jedem Fall nur mit ausreichender sozialer Abfederung von politischer Seite.

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[1] Bündnis 90/Die Grünen. Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021, S. 12.

[2] Sozial-Demokratische Partei (SPD). Das Zukunftsprogramm der SPD, S.8-10.

[3] Freie Demokraten (FDP). Wahlprogramm der Freien Demokraten, S. 26-28.

[4] DIE LINKE. Leitantrag zum Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, S. 48-50.

[5] Alternative für Deutschland. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag, S. 88, 96.

[6] Schürmann, Johannes. Was kostet der Verkehr in München wirklich?

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