Autofreier Tag: „Entschleunigt Euren Alltag!“

Auf der ganzen Welt verzichten Menschen jährlich am 22. September auf das Autofahren. Was in den 1950er und 1970er-Jahren aufgrund von Ölknappheit zunächst als staatliche Sparmaßnahme anfing, hat heute vor allem ideellen Wert: Der Tag gilt als Zeichen für Klimaschutz und Verkehrswende. Einige tausend Tonnen CO2 können eingespart werden, wenn alle Menschen für einen Tag auf das Autofahren verzichten. Dennoch tun sich viele schwer damit, vor allem im auto-vernarrten Deutschland. Wie einfach es aber sein kann, ein Leben ohne Auto zu meistern, sieht man am Beispiel der Paulas: die fünfköpfige Münchner Familie hat noch nie ein eigenes Auto besessen – und genießt diese Freiheit!

Wir haben mit Simone (4 Jahre), Monika (8 Jahre), Kilian (fast 12 Jahre), Gabi und Johannes Paula aus dem Münchner Stadtteil Obermenzing gesprochen. Hier erfährst Du, warum die Paulas selbst dann kein Auto haben wollten, wenn es keinen Klimawandel gäbe.

„Ich empfinde es als Luxus, kein eigenes Auto zu besitzen.“

Liebe Familie Paula, was ist Ihre Alternative zum Auto?

Frau Paula Wir haben in unserem Einzugsgebiet alles, was wir brauchen. Deshalb reicht mir das Radl mit Anhänger. Auch die Kinder fahren Rad. Das haben sie schon früh gelernt.

Herr Paula: Ich fahre eigentlich bei jedem Wetter mit dem Rad zur Arbeit in die Innenstadt. Wenn ich auf Baustellen muss und einen weiteren Arbeitsweg habe, dann nehme ich das Klapprad und fahre streckenweise mit der S- oder U-Bahn. Ab und zu – letztes Jahr war es insgesamt zu neun Gelegenheiten – nehmen wir ein „Stattauto“.

Wie kommt es, dass Sie kein Auto besitzen?

Frau Paula Bei mir hat sich das einfach so ergeben – ich habe noch nie ein eigenes Auto besessen. Ich komme aus einem kleinen Dorf aus der Nähe von Ingolstadt, da bin ich immer mit dem Bus gefahren oder konnte das Auto meiner Eltern nehmen.

Herr Paula Ich bin es von Kindheit an gewohnt. Mein Vater hatte zwar einen Führerschein, aber ganz bewusst kein Auto. Damals war das Auto ein echtes Statussymbol. Mein Vater war Architekt. Oft hat er im Spaß gesagt: „Jede Putzfrau kommt mit dem Auto ins Büro, aber ich mit dem Fahrrad!“

Familie Paula 19.9.2017 autofreier Tag Foto Marie Heßlinger

Empfinden Sie es als große Einschränkung, auf ein Auto zu verzichten?

Herr Paula: Nein, ich empfinde es als Luxus, kein eigenes Auto zu besitzen. Ich muss mich um nichts kümmern: keine Winterreifen, keine Benzinwechsel, kein stundenlanges Parkplatzsuchen – und im Stadtverkehr bin ich bin dem Fahrrad oft sogar schneller, als mit dem Auto.

Frau Paula: Im Großen und Ganzen empfinde ich es auch nicht als Einschränkung. Manchmal muss man jedoch mehr planen. Zum Beispiel, um spontane Ausflüge zu machen.

Wie machen Sie Großeinkäufe, Erledigungen und Urlaub mit den Kindern?

Frau Paula: Wenn die Kinder krank sind, fahre ich sie im Rad-Anhänger zum Arzt. Ich gehe ein bis zweimal die Woche einkaufen, meistens wenn es auf dem Weg liegt. Zweimal im Jahr bekommen wir Getränke ins Haus geliefert. In den Urlaub fahren wir mit Zug, Radl oder mit „Stattauto“. Letztes Jahr haben wir eine Radtour durch Nordbayern gemacht, dieses Jahr durch Tirol – da sind wir mit dem Zug hingefahren.

Was sagen denn die Kinder dazu, dass Sie kein Auto besitzen?

Kilian: Mir macht es nichts aus. Ich finde das gut. Es stört mich auch nicht, wenn ich ein bisschen nass werde.

Monika: Ich würde mir nur dann ein Auto wünschen, wenn wir ganz weit draußen auf dem Land wohnen würden.

Wie reagiert Ihr Umfeld darauf, wenn es erfährt, dass Sie kein Auto besitzen?

Herr Paula: Viele haben ein schlechtes Gewissen und entschuldigen sich, wenn sie zum Beispiel mit dem Auto zu uns kommen. Dabei kommentieren wir ihr Verhalten gar nicht. Wir verstehen, dass manchen Menschen aufgrund ihrer Wohn- oder Arbeitssituation nicht ohne Auto auskommen.

Familie Paula_Foto Marie Heßlinger 19.09.2017 kleiner

Was glauben Sie: Warum tun sich viele Menschen schwer damit, auf ein Auto zu verzichten?

Herr Paula: Ich glaube, viele Leute denken: „Für das Auto habe ich so viel Geld gezahlt, jetzt muss ich es auch nutzen.“ Man muss einmal zahlen, und dann nutzt man es quasi umsonst. Mit einer MVG-Jahreskarte wäre es allerdings das Gleiche: ich zahle einmal viel Geld, und dann fahre ich das ganze Jahr „umsonst“ – und nutze es dementsprechend oft.

Frau Paula: Ich glaube, es liegt an der Macht der Gewohnheit. Man denkt gar nicht mehr über das Autofahren nach, wenn es erst einmal Routine geworden ist.

Welche positiven Erfahrungen macht man, wenn man kein Auto besitzt?

Herr Paula: Radfahren ist für mich Sport und Entspannung, Abschalten nach der Arbeit. Man kann überall spontan anhalten, das Rad direkt vor der Haustüre abstellen. Oft trifft man unterwegs zufällig Bekannte und fährt ein Stück zusammen. Außerdem ist die Nähe zur Natur sehr schön.

Welche Vorteile hat der Nichtbesitz eines Autos?

Frau Paula: Radfahren hält fit! Es ist gesund! Man spart sich unter Umständen, zum Sport zu gehen.

Herr Paula: Man hat hohe Zeit- und Kostenersparnisse: Versicherung, Steuern, Reparaturen, Unterhalt… in der Stadt kommt man mit dem Rad oft schneller voran.

Haben Sie Tipps für Menschen, die sich gerade überlegen, auf ihr Auto zu verzichten?

Frau Paula: Ein Fahrradanhänger ist eine super Sache. Carsharing auch! Und wenn gar kein Auto vor der Türe steht, dann stellt sich gar nicht erst die Frage, ob Auto oder Radl.

Familie Paula Foto Marie Heßlinger 20170919 original

Was wollen Sie diesen Menschen mit auf den Weg geben, damit sie sich bei der Umsetzung leichter tun?

Monika: Ein Stattauto mitgeben!

Herr Paula: Es gibt so wunderschöne Ecken in Münchens Umgebung, so tolle Natur! Aber die Menschen fliegen ans andere Ende der Welt und wissen gar nicht, wie schön die Natur in ihrer Nähe ist. Ich würde auch gerne mal nach Costa Rica reisen – aber ich muss es auch nicht. Jeder will effizienter sein und noch mehr in den Tag packen. Radfahren entschleunigt den Alltag. Es ist ein Trugschluss, zu denken, dass man mit Auto mehr erledigen kann. Ich habe das Gefühl, oft ist man mit Fahrrad effizienter.

Vielen Dank für Ihre Zeit! Ich wünsche Ihnen einen weiteren schönen, autofreien Tag!

 

Das Gespräch führte: Marie Heßlinger

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