Mobilität 8. Mai 2024

Alternative Kraftstoffe sind nett, eine echte Mobilitätswende ist aber besser

Geht es um die Verkehrswende, pochen bestimmte (politische) Kreise immer wieder auf Technologie-Offenheit. Mantra-artig werden beispielsweise synthetische Kraftstoffe als Schlüssel ins Feld geführt, mit dem die Emissionen im Verkehrssektor maßgeblich gesenkt werden können. Warum für uns die Mobilitätswende so viel mehr ist als die Nutzung neuer Kraftstoffe und Antriebstechnologien. Eine Stellungnahme anlässlich des neu eingeführten, synthetischen / biogenen Diesels HVO 100. 

Eine reine Antriebswende deckt aus unserer Sicht den enormen Bedarf nach Treibstoff und die damit einhergehende Auswirkung auf die Klimakrise nicht ausreichend ab. Wir brauchen eine Mobilitätswende, die auf den Umweltverbund, also Rad- Fuß- und öffentlichen Nahverkehr setzt. Hinzu kommen gute Mobilitätskonzepte wie Mobility on Demand und geteilte beziehungsweise vernetze Mobilität. Darüber hinaus geht es darum, Wege möglichst zu vermeiden. Der Pendelverkehr kann beispielsweise durch Homeoffice reduziert werden. Kluge Logistikkonzepte für den Waren- und Lieferverkehr können zurückgelegte Wege und Emissionen ebenfalls senken. 

Da das ⁠Verkehrsaufkommen⁠ in Deutschland stetig wächst, stagnieren trotz vorhandener Effizienzgewinne durch den Einsatz von moderneren Motoren und Flugzeugturbinen die absoluten Treibhausgasemissionen des Verkehrs auf einem hohen Niveau.

Umweltbundesamt

HVO 100 – auf den ersten Blick umweltfreundlich 

Treibstoffe aus Pflanzenölen, die mit Wasserstoff behandelt wurden (HVO – Hydrotreated Vegetable Oils) haben den scheinbar umweltfreundlichen Aspekt, dass zu ihrer Herstellung Abfälle sowie Öle und Fette aus Reststoffen, wie gebrauchtes Speiseöl, wiederverwendet werden können. Das erste Problem hierbei: Abfälle und Reststoffe klingt nach Materialien, die keinen anderen Verwendungszweck mehr hätten. So wird Altspeiseöl aber beispielsweise in der oleochemischen Industrie (Seifen, Waschmittel, Kosmetik) weiterverarbeitet.  

Zudem werden bestimmte Altfette in Europa zur Energieerzeugung genutzt. Werden die Fette zur Treibstoffherstellung abgezogen, müssen sie in der ursprünglichen Verwendung womöglich durch andere – fossile – Energieträger ersetzt werden. Es entsteht also insgesamt eine Nutzungskonkurrenz bei gleichzeitigem Mangel an verwendbaren Reststoffen, weswegen ein Großteil importiert wird. 47 Prozent davon aus Asien (Faktencheck, u.a. Deutsche Umwelthilfe).

Gleichzeitig gelten aber auch Rinde, Zweige und größere Teile von Bäumen als „Reststoffe aus der Forstwirtschaft”. Allesamt Biomasse, die ihren Zweck besser erfüllt, wenn sie im Ökosystem Wald verbleibt. Neben Abfall- und Reststoffen können auch frische Pflanzenöle wie Raps- oder Palmöl Grundlage bei der Herstellung sein. Es stellt sich somit auch bei der Herstellung von entsprechenden Treibstoffen die „Tank oder Teller“-Frage: Sollen landwirtschaftlich genutzte Flächen der Bereitstellung von Nahrungsmitteln oder Kraftstoffen dienen? Zwischen 2020 und 2022 ist der Anteil von Palmöl an HVO aber drastisch zurückgegangen (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung).

Beim Herstellungsprozess der HVO ist außerdem eine große Menge an Wasserstoff notwendig. Somit tritt der biogene Diesel auch hier in eine Konkurrenzsituation. Ist Wasserstoff doch selbst Treibstoff für emissionsarme Antriebe. Werden bei der Wasserstoff-Produktion zudem keine erneuerbaren Energiequellen eingesetzt, ist die gute CO2-Bilanz ohnehin verloren.

Mobilitätswende statt Treibstoff-Experimente 

Der Einsatz von HVO an sich bringt deutliche Eimissionseinsparungen mit sich. Insgesamt ist es aber ein gutes Beispiel, wie wenig heilsbringend alternative Kraftstoffe auf den zweiten Blick sind. Der Treibstoff kann, gerade für den Schwerlastverkehr, eine Alternative darstellen. Allerdings sehen wir künftig keine flächendeckende Versorgung mit HVO 100. Die benötigten Rohstoffe wie Wasserstoff, Abfälle und Pflanzenöle stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung und wären an anderer Stelle gewinnbringender einsetzbar. 

Viele der oben geschilderten Probleme würde eine Verkehrsverlagerung bzw. -reduzierung lösen oder zumindest deutlich minimieren. Wir brauchen, wie bereits eingangs geschrieben, eine echte Mobilitätswende, die viel mehr Facetten beinhaltet als die Entwicklung emissionsarmer Treibstoffe. Die Nutzung von Kraftstoffen wie HVO 100 bedeutet letzten Endes nämlich auch Festhalten und weitere Investitionen in die Verbrennertechnologie. Somit werden Investitionen in andere Maßnahmen der Verkehrswende ausgebremst. 

Kontakt Mobilität

Andreas SchusterLeitung Mobilität+49 89 890 668 - 319
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